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Wie Gemeindefinanzen nachhaltiger werden können

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Nach den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 ist es nun der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Inflation, welche die Gemeinden vor große Herausforderungen stellen. Die hohe Inflation bringt zwar einerseits mehr Geld in die Gemeindekassen, andererseits stehen aber auch die Gemeinden vor Preissteigerungen – insbesondere im Energiebereich und im Bausektor. Egal, wie sich die Situation nun konkret weiterentwickelt: Der Reformbedarf im Finanzausgleich und in zentralen Aufgabenbereichen besteht weiterhin. Insbesondere die Zeit bis zum Auslaufen der Finanzausgleichsperiode bis Ende 2023 sollte genutzt werden, um Reformen voranzubringen und die Gemeindefinanzen mittelfristig abzusichern.

Folgender Beitrag beinhaltet auch Auszüge aus dem jüngst erschienenen Gemeindefinanzbericht 2022.

Unsichere Gemeindefinanzprognose

Die Inflation sowie die damit zusammenhängenden Entlastungsmaßnahmen des Bundes in den nächsten Jahren könnten die finanziellen Spielräume der Städte und Gemeinden erneut deutlich sinken lassen, wie in der vom KDZ Anfang Juli präsentierten Gemeindefinanzprognose ausgeführt. So werden von dem Mitte Juni von der Bundesregierung präsentierten Teuerungs-Entlastungspaket zur Abfederung der Inflationsverluste mittelfristig Mindereinnahmen für die Gemeindeebene von bis zu 1,6 Mrd. Euro bis 2025 erwartet. Inwieweit sich dies durch die höhere Inflation gegenfinanziert, wird die Zukunft weisen. Hinzu kommen hohe Unsicherheiten im Zuge des Ukraine-Krieges. So würde insbesondere ein Gas- und Ölembargo gegenüber Russland zu einer Rezession führen.

Hohe Inflation bringt höhere Einnahmen, aber auch Ausgaben

Die hohe Inflation führt zu höheren Steuerreinnahmen für den Staat, wodurch auch die Mittel der Gemeinden am Steueraufkommen steigen. Den Mehreinnahmen stehen jedoch auch Mehrausgaben gegenüber. So zieht die hohe Inflation auch höhere Gehälter der öffentlich Bediensteten nach sich. Auch die Sachausgaben – allen voran die Energiepreise – führen zu einem raschen Anstieg der laufenden Ausgaben. Hinzu kommen Mehrausgaben im Sozialbereich, wodurch auch mit einem Anstieg der Umlagen – wenn auch meist zeitverzögert – zu rechnen ist.

Stärkung der Resilienz im Finanzausgleich

Der Finanzausgleich hat bei der Pandemiebekämpfung eine wichtige Rolle gespielt und die Finanzierung der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden grundsätzlich gewährleistet. Gleichzeitig wurden jedoch strukturelle Probleme sichtbar, wie etwa die hohe Abhängigkeit vieler Gemeinden von den Transfers der Länder. Nun wäre es Zeit, die Pandemiebewältigung im Finanzausgleich zu evaluieren und einen Reformprozess in Richtung eines stärker resilienten Finanzausgleichs aufzusetzen.

Die Verlängerung des Finanzausgleichsgesetz sollte dabei genutzt werden, um Reformen im Finanzausgleich bis Ende 2023 vorzubereiten. Um zukünftige Krisen besser bewältigen zu können, wird eine strukturierte Evaluierung des Finanzausgleichs empfohlen. Ziel sollte eine Evaluierung der Wirksamkeit der Vorsorge- sowie der eingesetzten Kriseninstrumente sein. Dabei sollte der Fokus nicht nur auf dem Finanzausgleichsgesetz, sondern auch auf weitere Finanzierungsverflechtungen zwischen den Gebietskörperschaften gelegt werden. Die Notwendigkeit einer Evaluierung der eingesetzten Unterstützungsleistungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie streicht auch der Fiskalrat in seinen jüngsten Empfehlungen hervor.

In seinen Empfehlungen verweist der Fiskalrat[1] weiters darauf, dass insbesondere Reformen bei gebietskörperschaftsübergreifenden Aufgaben – dies wären etwa Pflege, Bildung, Gesundheit, ÖPNRV – durch eine Reform des Finanzausgleichs vorangetrieben werden sollten. So führt er aus, dass Effizienzverlusten und Steuerungsproblemen durch die Erhöhung der Transparenz, durch die Stärkung der Konnexität (daher die Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung) sowie durch Aufgabenentflechtungen begegnet werden kann. Über Finanzausgleichsreformen wäre dies etwa durch eine verstärkte Aufgabenorientierung und Transferentflechtungen, aber auch durch die Stärkung der Abgabenautonomie der Länder und Gemeinden möglich. Dabei streicht er die Sicherstellung der kommunalen Investitionstätigkeit sowie der Daseinsvorsorge besonders hervor.

Resiliente Gemeindefinanzen durch Reformen

Hinsichtlich möglicher Instrumente zur Stärkung der Resilienz der Gemeindefinanzen im Finanzausgleich zeigen sich sehr vielfältige Ansätze. Teils handelt es sich bereits um „alte Bekannte“, da der derzeitige Finanzausgleich mehrfach zu wenig flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagiert und die finanziellen Spielräume der Gemeinden zunehmend eingeengt werden – etwa durch eine sinkende Bedeutung der Abgabenautonomie und steigende Abhängigkeiten vom Transfersystem.

Um die Handlungsfähigkeit der Gemeinden im Krisenfall sicherzustellen, wären daher die finanziellen Spielräume der Gemeinden mittelfristig abzusichern, etwa durch den Abbau von Finanzierungsverflechtungen vor allem zwischen Bundesländern und Gemeinden sowie durch die Stärkung der Abgabenautonomie in Form einer Grundsteuerreform. Darüber hinaus braucht es aber auch einen Fokus auf Krisenpläne und -instrumente, welche auch mit dem Finanzausgleich verknüpft sein sollten. Um die Robustheit und Anpassungsfähigkeit zu steigern, eigenen sich etwa gezielte Förderprogramme, um die kritische Infrastruktur und Daseinsvorsorge aufzubauen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Bewältigung der Klimakrise von hoher Bedeutung. Gleichzeitig sollten sich auch die laufenden Finanzierungsströme im Finanzausgleich an die verändernden Rahmenbedingungen anpassen, etwa in Form von stärker aufgabenorientierten (statt ressourcenausgleichenden) Finanzmittelflüssen.

Ein wichtiger Aspekt zur Absicherung der finanziellen Spielräume der Gemeinden sind auch Reformen in zentralen Aufgabenbereichen des öffentlichen Sektors, worauf auch der Fiskalrat in seinen Empfehlungen verweist. Dies betrifft etwa die Steigerung der Effizienz sowie die nachhaltige Bewältigung der Kostendynamik sowie die Sicherstellung der nachhaltigen Finanzierung in demografieabhängigen Ausgabenbereichen. Vor allem für die Gemeinden sind hier das Gesundheitsweisen sowie der Bereich der Langzeitpflege relevant, wo die Gemeinden eine Ko-Finanzierungsleistung zu tragen haben.

Sicherstellung der Investitionsfähigkeit in klimafreundliche und soziale Infrastruktur

Gemeinden stehen in den nächsten Jahren vor der Herausforderung, verstärkt in Bildungs- und Klimainfrastruktur zu investieren. Im Bildungsbereich stehen weiterhin der Ausbau der Kinderbetreuung sowie von Ganztagsschulen auf dem Plan. Hinzu kommen Investitionen in Klimaschutz und -anpassung, von Hochwasserschutzmaßnahmen über öffentlichen Verkehr bis hin zum Energie- und Wärmewandel.

Auch gilt es, die 2020 unterlassenen Investitionen wieder aufzuholen, da sich eine zeitliche Verzögerung der Investitionstätigkeit negativ auf die Qualität der öffentlichen Leistungserbringung auswirken kann. Ein Investitionsrückstau sollte daher unbedingt vermieden werden. Dass die kommunale Investitionstätigkeit der Gemeinden eine wichtige Bedeutung hat, ist im Zuge der Pandemie wieder mehr in den Vordergrund gerückt. So weist der Fiskalrat auf die Wichtigkeit der kommunalen Investitionen insbesondere auf die Daseinsvorsorge hin. Auch die Arbeiterkammer bzw. auch eine Studie des wiiw verweisen darauf, dass die Gemeinden auch die Möglichkeiten haben müssen, ihren Investitionsbedarf zu decken.

Reform des Österreichischen Stabilitätspakts

Der Fiskalrat plädiert weiterhin dafür, die Steuerungsrelevanz des nationalen Fiskalregelwerkes – daher des Österreichischen Stabilitätspaktes – zu erhöhen. Für die Gemeindeebene sind dabei insbesondere zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Das aktuelle Regelwerk zeichnet sich durch eine hohe Komplexität aus, wodurch für Gemeinden die Anwendbarkeit in der Praxis in vielen Bereichen unmöglich ist. Es wäre nun wichtig, die Komplexität insgesamt zu reduzieren, wodurch auch die Praxisrelevanz für die Gemeinden erhöht werden könnte. Dies bedeutet deutlich vereinfachte und daher in den Gemeinden umsetzbare Regelungen.

Der zweite Aspekt betrifft die Sicherung der Investitionsfähigkeit der Gemeinden. Die bestehenden Fiskalregeln schränken die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand ein, weshalb auf europäischer Ebene verstärkt Ausnahmeregeln diskutiert werden. So könnten im Rahmen einer „goldenen“ Regel Ausnahmen für Investitionen im Zusammenhang mit Klimawandel und -anpassung oder auch für soziale Infrastruktur bestehen. So könnten etwa Investitionen in den öffentlichen Verkehr oder in die Bildungsinfrastruktur bei der Ausgabenbremse oder bei der Defizitberechnung ausgenommen werden.

 

[1] Auf die Empfehlungen des Fiskalrates 2022 wird auch in den folgenden Verweisen auf den Fiskalrat Bezug genommen.

Milluks Kerstin
Kerstin Milluks | Bundesministerium für Inneres (Deutschland)
Die CAF-Webinare und die Kooperation mit dem KDZ haben uns dabei sehr unterstützt, das Qualitätsnetzwerk der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zu stärken.
Petra Holl
Amtsleiterin Petra Holl | Oberalm
Die Teilnahme an Seminaren des KDZ bedeutet für meine Mitarbeiter*innen und mich, gut vorbereitet auf die Herausforderungen der täglichen Arbeit zu sein.
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Mag. Thomas Wolfsberger | Finanzdirektor der Stadt St. Pölten
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